Philipp Müller
Kunstgeschichtliches Seminar
Edmund-Siemers-Allee 1
20146 Hamburg
Raum 116 (Hauptgebäude)
Tel.: +49 40 42838 8135
philipp.mueller"AT"uni-hamburg.de
Projekt
Wie gehen wir öffentlich und privat mit Gewaltbildern um bzw. wie könnten wir mit ihnen umgehen? Sobald sie in sozialen Netzwerken oder massenmedialer Berichterstattung zum Einsatz kommen, erscheinen sie als sachgerecht und erhalten oft kurzschlüssig einen hohen Wahrheitswert. Gerade bei mimetisch-technischen Bildern schier unerklärlicher Gewalt ist der Erklärungsbedarf besonders groß. Doch die Gewaltbilder selbst hinterlassen eher Wissenslücken und generieren eine Informationssehnsucht, die den fragwürdigen Appetit des Auges zwischen Anziehung und Abstoßung sowie den Hunger nach Deutung anregt. Zwischen Bild und Text entstehen zudem komplizierte Konkurrenzverhältnisse, da Gewaltbilder in Berichten zwar oft eingesetzt, doch selten analysiert werden. Bildgebrauch und -funktion tragen entscheidend zur Bildwirkung bei, doch werden kaum kritisch markiert. Obwohl Gewaltbilder journalistisch integrale Bestandteile sind, wirken sie doch isoliert. So kann sich ihr visuelles Affizierungspotenzial freier entfalten. Tendenziell führt die mangelhafte Selbstreflexion von privaten und institutionalisierten Bildverteilern auch zur Unterminierung der Bildwirkungskraft. Die Bilder selbst müssen folglich befragt werden, mit welchen Mitteln welche Wirklichkeiten in ihnen, durch sie und mit ihnen erzeugt werden.
Ziel des Promotionsprojekts „Gewalt|Bild|Kraft“ ist es, durch bild- und medienanalytische Verfahren distanzauflösende Gewaltbilder zu zergliedern, um Distanzierung durch Bildkritik zu ermöglichen. Selbst wenn die spontane Bildwirkung dabei kaum zu unterdrücken sein mag, bleibt die Reflexion künstlicher Entstehungsbedingungen gefährlicher Wirkungspotenziale unumgänglich für die Diskussion medialer Praxis und die (Selbst-)Bewusstwerdung des Betrachters, der als Amateurbildproduzent und Teilnehmer in sozialen Netzwerken mittlerweile die Inhalte der Gewaltbildberichterstattung mit bestimmt. Doch genauso wenig wie Bildkritik ohne Kunsttheorie funktioniert, finden Gewaltbilder ihren Wirkungsort nur im journalistischen Kontext. Zur Ausdifferenzierung des Umgangs mit Gewaltbildern muss der Bildkritiker auch auf Kunstproduktion und -rezeption blicken. Ausgewählte Positionen aus der zeitgenössischen Kunst reflektieren die Erzeugung von Wirklichkeit und Nähe samt potentieller Distanzierungsoptionen und steuern dabei auf ein Differenzmoment zu: Können in der künstlerischen Praxis kritische Momente bezüglich der Mediatisierung von Gewalt eingebaut werden, für die in der journalistischen Medienwelt oft kein Platz zu sein scheint?
Vita
Philipp Müller studierte nach seiner abgeschlossenen Berufsausbildung zum Buchhändler in Mannheim Germanistik und Kunstgeschichte an den Universitäten Heidelberg und Hamburg. 2017 schloss er mit einer Arbeit über Selbstinszenierungsstrategien einer Terrorgruppe unter Berücksichtigung des komplexen Verhältnisses von Medienredaktion und Verbrecherorganisation sowie den daraus entstehenden Statusveränderungen von technischen Bildern und ihren Betrachtern ab. Seit Juli 2017 ist er Stipendiat an der Forschungsstelle Naturbilder an der Universität Hamburg.
Ausgewählte Publikationen
Für 2018 geplant: Realitätenkollaps? Zu Verhältnis und Status von Bild und Betrachter bei gewaltvollen Amateurvideos im Tagungsband anlässlich des Symposiums Images in Conflict (17.-18.05.2017, Hochschule für Fotojournalismus und Dokumentarfotografie Hannover).
Körper zwischen Leid und Heil – Zergliederung bei Paul Goesch In: Paul Goesch (1885–1940) – Zwischen Avantgarde und Anstalt, hrsg. von Thomas Röske, Sammlung Prinzhorn, Heidelberg 2016, S. 30-42.