Studienexkursion des Paläographieseminars: Handschriftenstudium in Einsiedeln und St. Gallen
28. Februar 2023, von Webmaster

Foto: Eggers
Im Rahmen des Seminars „Einführung in die Geschichte und Paläographie des Gregorianischen Chorals“ fand eine Studienexursion mit 10 Studierenden zusammen mit Christoph Weyer Ende Januar nach Einsiedeln und St. Gallen in der Schweiz statt. Ziel der Exkursion war einerseits das Studium der Originalquellen des lateinischen Kirchengesangs und andererseits die Vertiefung der Kenntnisse über das monastische Leben.
Bereits bei der Ankunft in Einsiedeln konnten wir die volle Pracht und Größe der barocken Klosterkirche bestaunen und bezogen unsere Unterkunft direkt auf dem Klosterareal. Bei einem Spaziergang am darauffolgenden Tag konnte die Größe des Klosters erkundet und auch die Rutschfestigkeit des mitgebrachten Schuhwerkes getestet werden, da der in Hamburg oft vermisste Schnee hier in seinem vollen Glanz zu bestaunen war. Die Handschriftenpräsentation in Einsiedeln wurde mit einem Kurzreferat von Pater Gregor, dem Stiftsarchivar, über die historische Entwicklung des Klosterarchivs eingeleitet. Dass das Kloster zweimal in seiner über 1000-jährigen Geschichte aufgehoben werden sollte, hatte zum Glück dem Archiv keine nennenswerten Verluste eingebracht. Weggeführte Manuskripte konnten später wieder restituiert werden. Bei der anschließenden Handschriftenuntersuchung standen vor allem Fragen der Datierung im Vordergrund. Anhand von im Seminar erarbeiteten Kriterien wurden die Handschriften auf Basis ihrer Notation zeitlich zugeordnet. Diese wertvollen Bücher aus der Nähe zu betrachten, löste bei den Teilnehmenden großen Respekt aus. Am Abend setzte sich die Gruppe auch mit tagesaktuellen Themen der katholischen Kirche kritisch auseinander. Über aktuelle Problematiken und Kontrollinstanzen wurde genauso diskutiert, wie über interne Begriffe und Terminologien.
Die an diesem Abend aufgekommenen Fragen nahmen wir mit in unseren Studientag (Mittwoch). Während wir uns am Morgen in Referaten auf die St. Galler Handschriften vorbereiteten, wurde unsere Gruppe am Nachmittag von Pater Lorenz, dem ehemaligen Rektor der Klosterschule, zu einem Gespräch über das monastische Leben und seine Veränderungen durch die Zeit eingeladen. In dieser Runde bestand nicht nur die Möglichkeit Kenntnisse über das mittelalterliche Klosterleben zu vertiefen, sondern auch tagesaktuelle insbesondere kirchenpolitische Fragen zu erörtern.
Der Donnerstag führte uns, nach einer kurzen Stipvisite im Dom, in die Stiftsbibliothek St. Gallen. Die Gruppe kam gar nicht mehr aus dem Staunen über diesen prachtvollen Raum, in dem sich unter anderem eine Kopie des St. Galler Globus, einem Erd- und Himmelsglobus aus dem 16. Jahrhundert, eine vorchristliche Mumie und mehrere Handschriften befinden. Die dortige Führung nahm nach einem historischen Abriss historische Bibliothekssysteme in den Blick und zeigte anhand von Ovid und Horaz Editionen das Wirken von Zensoren. Der Höhepunkt der Exkursion, so war man sich anschließend einig, war die Handschriftenpräsentation von Frau Dr. Fanziska Schnoor, die nicht nur mit ihrer Sachkenntnis über die Anfertigung und Notation der Handschriften zu begeistern vermochte, sondern auch gesanglich am Beispiel von „Hodie cantandus est“ den Aufbau von Tropen erfahrbar gemacht hat. Schließlich erlaubte ein direkter Vergleich der Handschriften CH-SGs 339 und CH-SGs 390 noch einen gedanklichen Exkurs über die Illustration der Handschriften und dem Gebrauch von irisch-angelsächsischen Ornamentik.
Ein großes Dankeschön geht an unsere Institutsleiterin Univ.-Prof. Dr. Ivana Rentsch für die großzügigen finanzielle Förderung der Reise und an Christoph Weyer für die Organisation und fachliche Begleitung. Ein weiterer Dank geht an das Forum Musikwissenschaft, für die finanzielle Unterstützung des Besuchs in der Stiftsbibliothek St. Gallen.
Alle Studierenden hatten dank dieser Exkursion die Ehre, erste Berührungspunkte mit mittelalterlichen Handschriften zu sammeln, was das wissenschaftliche Arbeiten in der Zukunft gleich viel spannender gestalten wird.
Verfasst von Lisa-Maria Harnau