Archiv für alltägliches Erzählen

Das Hamburger Archiv für Alltägliches Erzählen ist eng verknüpft mit der von Albrecht Lehmann geprägten „Volkskunde als Bewusstseinsanalyse“. Ziel der auf persönlichen Dokumenten einer Lebenslaufforschung beruhenden qualitativen Forschung war von Anfang an die wissenschaftliche Erklärung der kulturellen Gegenwart aus ihren historischen Wurzeln. Der interdisziplinär orientierte Ansatz einer Bewusstseinsanalyse stand im Zusammenhang mit der fachübergreifenden Individualisierungsdiskussion, für die sich zunächst Begriffe wie „Geschichtsschreibung von unten“ einbürgerten. Die Modernisierung der Erzählforschung bedeutete zunächst, dass es bei den erzählenden Informanten nicht um Erzählvirtuosen oder um besonders herausgehobene Zeitgenossen ging, nicht um die letzten Märchenerzählerinnen und auch nicht um die letzten Stalingradkämpfer. Es sollten vielmehr durchschnittliche Erzähler in alltäglichen Erzählsituationen zu Wort kommen.

Von Seiten der historischen Disziplinen fanden die Ergebnisse des Hamburger Forschungsansatzes schnell im Kontext einer damals populären „Sozialgeschichte von unten“ Beachtung; so wurde etwa die Hamburger Forschung interdispziplinär als erste in Deutschland unter dem Aspekt einer „Militärgeschichte von unten“ rezipiert.

Bis heute werden Anfragen an das Archiv gerichtet, gegenwärtig vor allem im Anschluss an drei Projekte: zunächst immer noch von Wissenschaftlern, aber auch von Rundfunk- und Fernsehjournalisten wegen des Kriegsgefangenen-Projekts aus den 1980er Jahren. Zum Wald- und Technik-Projekt fragen neben Medienvertretern vor allem Forstwissenschaftler, Technik- und Sozialwissenschaftler sowie Umweltforscher und  -historiker aus diversen Ländern Europas, darunter auffallend viele aus Osteuropa. Seit den frühen 1980er Jahren hat sich eine Anzahl von Kolleginnen und Kollegen für wissenschaftliche Recherchen in Germanistik, Soziologie, Psychologie, Ethnologie, Geschichte an unserem Institut aufgehalten.

Neben einer Fülle weiterer Forschungsfelder lassen sich folgende Archivschwerpunkte benennen:

1. Lebenslauf- und Erzählforschung

2. Erfahrungsgeschichte des Militärs, des Krieges und der Kriegsgefangenschaft

3. Zwangsmobilität

4. Interethnische Beziehungen

5. Persönliche Erinnerungsgegenstände

6. Naturerfahrung und Naturbewusstsein in der Moderne

7. Technik als biographische Erfahrung – Technikbiographie und Technikkultur