Nachhaltigkeit in der Klassischen Archäologie
Klassische Archäologie arbeitet mit Zeugnissen der Vergangenheit und steht beim Schutz des kulturellen Erbes in einer besonderen Verantwortung. Die nachhaltige Bewahrung kulturellen Erbes ist eng verbunden mit der systematischen Erschließung umfassender analoger und digitaler Informationen, die aufbereitet und zugänglich gemacht werden müssen. Forschung im Fach ist daher mit Anforderungen an nachhaltige Arbeitspraktiken konfrontiert, die über die üblichen Erwartungen an die geisteswissenschaftlichen Fächer hinausgehen. Die spezifischen Methoden zur Erschließung und langfristigen Sicherung materieller Quellen, die komplexen Dokumentationsverfahren, der Arbeitsschwerpunkt in Gastländern des Mittelmeerraumes sowie die notwendige Rücksichtnahme auf Stakeholder mit divergierenden Interessen stellen große Herausforderungen dar und sind mit Zielkonflikten verbunden.
Da jede Ausgrabung mit einer Abtragung und damit Zerstörung historischer Schichten einhergeht, sind ihre negative Auswirkungen möglichst zu begrenzen. Als wissenschaftlicher Standard hat sich die Kombination von großflächigen, zerstörungsfreien Prospektionen (Survey, Geophysikalische Messungen) mit minimalinvasiven Kontrollgrabungen etabliert. Dies kann jedoch im Widerspruch zu berechtigten Interessen der Gastländer an der Schaffung touristisch attraktiver und ökonomisch verwertbarer Denkmalorte stehen, die umfangreiche Freilegungen und Rekonstruktionen bedingen. Kleinteilige und präzise Ausgrabungen und ihre Dokumentation tragen zur Rekonstruierbarkeit der vielschichtigen historischen Zustände eines Kontextes auch nach seiner Abtragung bei. Eine besondere Rolle spielen hier digitale Dokumentationsmethoden (insbesondere 3D-Modelle) und die Schaffung digitaler Forschungsumgebungen. Zugleich ist der Zugewinn an Genauigkeit mit einer deutlichen Verlängerung der Arbeitszeitprozesse und einer entsprechenden Kostensteigerung verbunden. Der nachhaltige Schutz des kulturellen Erbes erfordert die Sicherung und Konservierung archäologischer Befunde unter Beteiligung externer Spezialist:innen. Materialuntersuchungen stellen wichtige Verfahren zur Gewinnung historischer Erkenntnisse aber auch zur Anpassung von Konservierungsmaßnahmen dar. Auch sie sind nicht immer zerstörungsfrei möglich. Im Sinne einer Respektierung lokaler Perspektiven und Erzählungen ist nach Wegen der Einbindung lokaler Anwohner in die Forschungsarbeit zu suchen, die freilich im Widerspruch zu den administrativen Vorgaben des Gastlandes stehen kann. Die erhobenen Daten schließlich werden langzeitlich und möglichst öffentlich zugänglich gesichert, ohne individuelle oder gruppenspezifische Rechte zu beeinträchtigen (FAIR-Principles).
Die Klassische Archäologie ist in Nachhaltigkeitsaspekten der UNESCO Welterbekonvention und der Agenda 2030 verpflichtet. Nachhaltigkeit der Forschung wird daher immer das Ergebnis kleinteiliger Aushandlungsprozesse unter Berücksichtigung der konfligierenden Nachhaltigkeitsziele sein.