Nachhaltigkeit in der Vor- und Frühgeschichtlichen Archäologie
Der Erhalt und die Konservierung von Bodendenkmalen (archäologische Fundstellen) und deren Erforschung in der Vor- und Frühgeschichtlichen Archäologie erfordern strategische Herangehensweisen, die stets die nachhaltige Quellensicherung beachten müssen. Dies betrifft die Sicherung der Quellen im Boden (in situ) soweit möglich und andererseits die fachgerechte Dokumentation bei unvermeidbarer Zerstörung durch Forschung. "Ausgraben heißt partiell zerstören" – deshalb sind invasive, somit zerstörende Maßnahmen soweit wie möglich zu vermeiden. Fachspezifisch ethische Überlegungen müssen der nachhaltigen Bewahrung oft Vorrang vor der invasiven Erforschung geben.
Sehr spezifische Fundstellen religiösen oder politischen Charakters (z.B. aufgegebene jüdische Friedhöfe, Konzentrationslager) bedürfen erhöhter Sensibilität, sollen einerseits dokumentiert und andererseits eben nicht zerstört werden. Hier bieten sich non-invasive digitaltechnische Methoden mit Grossgeräten an, die zerstörungsfreie Lokalisierung und Dokumentation von Fundstellen ermöglichen.
Wo weitergehende Information zum Verständnis des archäologischen und historischen Kontextes erforderlich sind (z.B. datierendes kulturgeschichtliches Fundgut, oder naturwissenschaftliche Proben), werden invasive Methoden der Freilegung, Bergung und Dokumentation ("Ausgrabung") auch Artefakte zutage fördern. Diese sind bereits im Moment der Freilegung und in der späteren Untersuchung und Archivierung einer akuten Zersetzungsgefahr ausgesetzt. Schon im Vorfeld der archäologischen Forschungsgrabung ist die nachhaltige Bewahrung der Fundstücke einzuplanen. Die Konservierung von Fundgut liegt dann in der Kompetenz anderer Fachinstitutionen oder staatlicher Dienste und nicht in der Zuständigkeit der Universität. Kooperation in der gemeinsamen Verpflichtung der nachhaltigen Sicherung von Fundgut ist unabdingbar.
Die während aller Arbeitsphasen erhobenen Daten in analoger und digitaler Form werden zwischen den Institutionen ausgetauscht und unterliegen teilweise der Vertraulichkeit, soweit diese Grund und Boden und Persönlichkeitsrechte Dritter betreffen. Archäologische Informationen und Proxydaten können deshalb nicht unbegrenzt frei zugänglich gespeichert und geteilt werden, anders ist dies bei fachlichen Publikationen. Informationsfreiheit und Datenschutz sind nicht immer kompatibel.
Öffentlichkeitsrelevante digitale Denkmaldaten werden von den dafür zuständigen Landesämtern der Bundesländer generiert und nachhaltig archiviert. Der online-Zugriff auf diese Daten für Forschung und Lehre ist unterschiedlich geregelt und unterliegt der Abwägung von Forschungsfreiheit, Datenzugang und Datenschutz. Insbesondere bei untertägig erhaltenen archäologischen Denkmälern sind diese Daten direkt mit personenbezogenen Daten (Grundbesitzer) gekoppelt und erfordern deshalb Einschränkungen bei der Datenfreigabe. Zudem sind archäologische Denkmäler durch illegale Eingriffe (Detektorbegehungen, Raubgrabungen) permanent gefährdet und auch die Lokalisationsdaten deshalb nicht überall frei zugänglich. Dennoch können z.B. ADABweb und Bayerischer Denkmal_Atlas oder andere digitale Plattformen der Landesarchäologien einen auf denkmalrechtlicher Grundlage kontrollierten Teil der Daten verfügbar machen und in Forschung und Lehre eingesetzt werden.
Ein wesentliches und im bundesweiten Vergleich nicht selbstverständliches Kennzeichen aller archäologischen Bereiche (Klassische Archäologie, Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie, Archäologie des Mittelalters und der Reformationszeit, Archäologie der Moderne und der Gegenwart) an der UHH ist der Einsatz non-invasiver und nachhaltig ressourcenschonender digitaltechnischer Verfahren in Forschung und Lehre. Dazu gehören digitale Vermessungstechnik, digitale Fotografie und 3D-Dokumentation (SfM), digitales Laserscanning, Geoprospektionsverfahren (Magnetik und Radar), Digitalmikroskopie von Verletzungsspuren und Gebrauchsspurenanalyse an Artefakten sowie mobile Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA-Handspektrometer u.ä.). All diese Methoden finden Anwendung in Forschung und Lehre und fördern so auch die studentischen Kompetenzen in digitaler Methodik.
Die Archäologien an der UHH fühlen sich diesen fachspezifisch-ethischen Aspekten der nachhaltigen Forschung in höchstem Maße verpflichtet und können dies mithilfe des Grossgerätepools in lokaler bis internationaler Kooperation realisieren.