„Brüderische Gemeinschaft als universales Lebensmodell?“ – Interdisziplinäre Tagung zur Herrnhuter Brüdergemeine (27.–28. Juli 2023)
30. Juni 2023, von Webmaster

Foto: Unitätsarchiv Herrnhut/Bildersammlung SBü
„Brüderische Gemeinschaft als universales Lebensmodell?
Die Herrnhuter Brüdergemeine im 18. und 19. Jahrhundert zwischen Uniformität und Pluralität“
Interdisziplinäre Tagung am Institut für Historische Musikwissenschaft der Universität Hamburg,
27.–28. Juli 2023
Konzeption und Organisation
- Dr. Maryam Haiawi (Institut für Historische Musikwissenschaft, Universität Hamburg)
- Maximilian Rose, M. A. (Fachbereich Geschichte, Universität Hamburg)
Das Tagungsprogramm finden Sie unter folgendem Link:
Programm: Tagung zur Herrnhuter Brüdergemeine – Juli 2023 [PDF].
Die 1722 gegründete Herrnhuter Brüdergemeine machte ihren Mitgliedern im 18. und 19. Jahrhundert das Angebot einer kollektiven Identität, wie sie weder in den großen Konfessionskirchen noch in anderen pietistischen Gemeinschaften der Zeit zu beobachten ist. Die brüderische Identität konstituierte sich durch eine als total zu verstehende Kirchen- und Sozialstruktur, die alle Lebensbereiche – Familie, Beruf, kulturelle Praxis, Frömmigkeit – umfasste. Mit der internationalen Ausbreitung der Brüdergemeine und ihrer wachsenden Missionstätigkeit wurden die Formen des religiösen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Zusammenlebens zunehmend vereinheitlicht, normiert und kontrolliert. In der Forschung wurde dieses Phänomen der religiös-sozialen Vergemeinschaftung bereits von verschiedenen Fachdisziplinen herausgestellt. Bislang stand jedoch kaum zur Diskussion, wie tragfähig das Ideal einer universal wirksamen, von konkurrierenden ethnischen oder kulturellen Zugehörigkeiten unberührten brüderischen Identität angesichts intensiver Kontakte und Verflechtungen mit der Außenwelt war. So sind weder die weltweite Missionstätigkeit noch die vielfältigen künstlerischen Praktiken ohne einen lokalen, regionalen und globalen Transfer von Ideen, Ästhetiken und Menschen denkbar. Zudem ließ sich das Herrnhuter Homogenitätskonzept spätestens im 19. Jahrhundert, vor allem im Hinblick auf Nationalstaatsbildungen und national-religiöse Bewegungen, nicht mehr aufrechterhalten.
Die interdisziplinäre Tagung soll der Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen eines kollektiven brüderischen Gemeinsinns in unterschiedlichen sozialen, institutionellen und kulturellen Kontexten nachgehen. Wie tiefgreifend und weitreichend hat man sich eine homogene brüderische Identität vorzustellen, wie wurde diese geschaffen und gesichert? Wo entstanden Freiräume für individuelle Entfaltung und multiple Zugehörigkeiten, in welchen Lebensbereichen sind konkurrierende Normen anzunehmen? Ein besonderer Fokus liegt auf den von den Herrnhutern gepflegten Medien wie Musik, Literatur und Kunst, die zum einen identitätsstiftende Funktionen hatten und das brüderische Alltagsleben prägten, zum anderen das Potenzial einer künstlerisch-ästhetischen Verselbstständigung besaßen.
Die Tagung führt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, der Schweiz, Japan, Südafrika, den USA und Australien zusammen, um Untersuchungsergebnisse zum brüderischen Gemeinschafts- sowie Identitätskonzept unterschiedlicher Forschungstraditionen zusammenzutragen und zu diskutieren. Die zweitätige Veranstaltung ist in fünf Sektionen gegliedert, in welchen theologische, soziologische, musik- und literaturwissenschaftliche, kunsthistorische und missionsgeschichtliche Aspekte thematisiert werden (siehe Tagungsprogramm).