„Der erste lebende Dirigent“: Alexander Zemlinsky interpretiert Richard Wagners Parsifal am Neuen Deutschen Theater Prag
Laura-Maxine Kalbow, M. A.
Als der Wiener Komponist und Dirigent Alexander Zemlinsky am 1. Januar 1914 während seiner Tätigkeit als Kapellmeister am Neuen Deutschen Theater in Prag Richard Wagners letzte Oper Parsifal aufführte, überschlugen sich nicht nur die tags darauf erschienenen Zeitungskritiken in ihrem Lob für den ‚Pultvirtuosen‘, in der Huldigung einer außergewöhnlichen musikalischen Aufführung. Auch Zemlinskys Schüler und Schwager Arnold Schönberg schrieb ihm einen Monat später in persönlichen Worten: „Für mich bist Du unbedingt der erste lebende Dirigent.“
Dass der Dirigent Zemlinsky aber nicht nur hervorragende Aufführungen, vor allem der Werke Beethovens, Mozarts, Wagners und Mahlers zum Besten gab, sondern im Zentrum des damaligen qualitativ musikalisch-künstlerischen Aufschwungs der deutschen Opernbühne in Prag stand, wird durch zahlreiche Berichte der damaligen Zeitgenossen – der Kritiker, seiner Schüler und seiner Weggefährten – deutlich. Das Prager Orchester wuchs unter seiner musikalischen Leitung trotz seines Status als ‚Provinzorchester‘ zu einem Musikapparat mit ungewöhnlich starker Qualität heran.
Das Dissertationsvorhaben strebt eine systematische Untersuchung des Prager Parsifal-Aufführungsmaterials unter der Ära Zemlinsky an. Dirigierpartituren, Probennotate, Orchester- und Sängerstimmen und Regieauszüge der Jahre 1914 bis 1927 werden dabei philologisch untersucht, um sich dem Verständnis eines zemlinskyschen Interpretationsideals zu nähern. Im Fokus steht die Analyse des Materials, mit dem Ziel, ästhetische Parameter, die seiner Wagner-Rezeption zugrunde liegen, zu erschließen. Ein besonderer Schwerpunkt der Untersuchung liegt dabei auf der Frage nach Momenten eines Kommunikationskreislaufes zwischen Komposition und Interpretation. Dieser Vermittlungsvorgang steht dabei im Vordergrund und soll mittels der Quellen Momente einer zeitgenössischen Opernpraxis am Neuen Deutschen Theater Prag offenbaren.
Dabei stellt sich die Frage, inwiefern Zemlinskys ästhetische Prämissen mit seiner Ausbildung in Wien, seiner Zusammenarbeit mit Gustav Mahler sowie seiner persönlichen Verbindungen zum Kreis der Wiener Schule und seiner intensiven Probenarbeit mit dem Prager Orchester in Zusammenhang standen.
Kontakt: laura.kalbow"AT"uni-hamburg.de
Betreuer: Univ.-Prof. Dr. Ivana Rentsch und Univ.-Prof. Dr. Oliver Huck