Dr. Sina Sauer

Foto: Sonya Osmy
Doktorandin
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Schwerpunkte
- Nachkriegsdeutsche Entschädigungspraxis und -verwaltung der NS-Enteignungspolitik
- Manuscript Cultures
- Akten- und Archivforschung
- Materielle Erinnerungskultur
- Mikrohistorische Kulturanalyse
- Entscheidungskulturen
Akademischer Werdegang
10/2016–04/2020
Doktorandin im Graduiertenkolleg „Understanding Written Artefacts“, Centre for the Study of Manuscript Cultures
10/2011–09/2014
Master of Arts, Volkskunde/Kulturanthropologie, Universität Hamburg
Thesis: Ein Ort stört. Akteure, Aneignungsstrategien und Authentizität als Ressource im Planungsprozess der Gedenkstätte am ehemaligen Hannoverschen Bahnhof (Hamburg)
10/2008–09/2011
Bachelor of Arts, Volkskunde/Kulturanthropologie, Universität Hamburg
Thesis: „Kogge bleibt!“ Zur kulturellen Praxis des Tradierens am Beispiel einer Hafenbar
Forschungsinteressen
- Nachkriegsdeutsche Entschädigungspraxis und -verwaltung der NS-Enteignungspolitik
- Manuscript Cultures
- Akten- und Archivforschung
- Materielle Erinnerungskultur
- Mikrohistorische Kulturanalyse
- Entscheidungskulturen
Dissertationsprojekt
Titel
Formalisierte Entschädigung. Gestaltung, Gebrauch und Wirkmacht von Formularen der nachkriegsdeutschen Finanzverwaltung im Fall Elsa Saenger 1948–1959
Abstract
Für die Entwicklung einer administrativen Entschädigungspraxis hinsichtlich der nationalsozialistischen Verbrechen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland 1945 waren Papierdokumente von zentraler Bedeutung. Aufgrund ihrer semiotischen und graphischen Spezifik übernahmen sie die ordnende und normierende Aufgabe, das noch nicht zu überblickende Feld der Entschädigung antisemitischer und rassistischer Enteignungspolitik verwaltbar machen.
Anhand des Fallbeispiels der Hamburger Jüdin Elsa Saenger untersucht die Arbeit die Erstellung, den Gebrauch und die Wirkmächtigkeit von Formularen in einem Entschädigungsverfahren in der nachkriegsdeutschen Finanzverwaltung im Zeitraum 1948 bis 1959. Das Hauptmaterial sind Akten, die sowohl die Korrespondenz zwischen Finanzbehörden und Erbengemeinschaft als auch materielle Belege der NS-Enteignungspolitik aus den Jahren 1939 bis 1941 enthalten.
Die Arbeit zeigt auf, dass Formulare keine passiven Informationsträger sind, sondern Ergebnis und Folie diskursiver Gestaltungsprozesse, die Werte- und Normenvorstellungen ihrer Ersteller abbilden. Im Vergleich der Formulare wird sichtbar, zu welcher Zeit welche Informationen hinsichtlich eines Entschädigungsanspruches als entscheidungsrelevant galten. Formulare sind Dokumente mit dem spezifischen Format, Inhalte zu transformieren und zu übertragen. In Abhängigkeit von ihrer persönlichen Formularerfahrung hatten Antragsteller*innen verschiedene Möglichkeiten, mit der asymmetrischen Dialogsituation zwischen Fragendem und Antwortendem umzugehen. Durch die anschließenden Transmissionsprozesse beinhalten die Formulare darüber hinaus administrative Bearbeitungsspuren wie Eingangsstempel, Nummerierungen, Kommentare, Unterschriften, Arbeitsanweisungen, Unterstreichungen und Farbcodierungen, über die verschiedene administrative Handlungs- und Entscheidungsebenen rekonstruiert werden können.
Ziel der Arbeit ist es, die Formulare als vielschichtige Artefakte zu dekodieren und zu dekonstruieren, um den Versuch, Entschädigung zu verwalten, sichtbar zu machen und die Entstehung einer Entschädigungspraxis in der deutschen Nachkriegsverwaltung in den 1940er und 1950er Jahren aufzuzeigen.
Betreuerin
Prof. Dr. Sabine Kienitz
Publikationen
- Following a Form: The Transmission Path of a Graphic Artefact in a Compensation Procedure in the Post-war German Fiscal Administration. In: Manuscript Cultures 14, Hamburg 2020, S. tba.
- Deportationslisten als Dokumente der Verdinglichung. Zur materiellen Praxis der Enthumanisierung im Nationalsozialismus und ihrer gegenwärtigen Wirkmächtigkeit. In: Kieler Blätter zur Volkskunde, 51/2019, S. 27–44.
- Die verwaltete Entschädigung: Enteignung und „Wiedergutmachung“ am Beispiel von Elsa Saenger, in: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte, 16.10.2019, URL: https://juedische-geschichte-online.net/beitrag/sauer-entschaedigungsverfahren (17.10.2019).
- Die Methode der Mental Maps: Keitumer Geschichten über die Kraft des Meeres, Kriegsflüchtlinge und Investoren. In: Norbert Fischer/Sina Sauer et al. (Hg.): Friedhof am Meer. Der St.-Severin-Kirchhof und der Tod auf Sylt. Husum 2016, S. 127–145.
- Eine Pagode auf dem Keitumer Friedhof: Wer waren Franz Korwan, Elsa und Julius Saenger? In: Fischer, Norbert/Sauer, Sina et al. (Hg.): Friedhof am Meer. Der St.-Severin-Kirchhof und der Tod auf Sylt. Husum 2016, S. 104–116.
- Fischer, Norbert/Helbig, Julia/Pfaff, Stefanie/Sauer, Sina/Schmidt, Claudia (Hg.): Friedhof am Meer. Der Keitumer Kirchhof und die Insel Sylt, Forschungsprojekt unter der Leitung von Prof. Dr. Norbert Fischer in Kooperation mit der St. Severin-Gemeinde Keitum/Sylt. Husum 2016.
- Sauer, Sina: Ein Ort stört. Akteure, Aneignungsstrategien und Authentizität als Ressource im Planungsprozess der Gedenkstätte am ehemaligen Hannoverschen Bahnhof (Hamburg). Hamburg 2015.
- Helbig, Julia/Sauer, Sina: Tod und Meer. Bericht über ein zweisemestriges Projektseminar, in: Institut für Volkskunde / Kulturanthropologie der Universität Hamburg (Hg.): VOKUS. Volkskundlich-kulturwissenschaftliche Schriften. Jg. 22, 2012, Heft 2, S. 57-63.
- Sauer, Sina: Zum Gedenken an die auf See gebliebenen Norderneyer Seefahrer, Katalogbeitrag in: Knöll, Stefanie/Overdick, Michael/Fischer, Norbert/Overdick, Thomas (Hg.): Der Tod und das Meer. Seenot und Schiffbruch in Kunst, Geschichte und Kultur. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Flensburger Schifffahrtsmuseum. Handewitt 2012, S. 139-141.
- Sauer, Sina: Bilder machen Räume. Zur Konstruktion von Tradition und Bedeutung einer Hafenbar, in: Institut für Volkskunde/Kulturanthropologie der Universität Hamburg (Hg.): VOKUS. Volkskundlich-kulturwissenschaftliche Schriften. Jg. 20, 2010, Heft 2, S. 85-94.
Vorträge
- The Agency of Paper Actors: Claiming Compensation in German post-war administration in the context of Nazi Seizure Policy 1948–1949. Shaping Communities: Manuscripts Affecting Social Relations. Centre of the Study of Manuscript Cultures, Hamburg,13. Juli 2018.
- Ein Ort stört. Der Planungsprozess der Gedenkstätte am ehemaligen Hannoverschen Bahnhof in der HafenCity. Andocken XI: Eine Hansestadt und ihre Kultur(en). Hamburg global und lokal: Gestaltungsräume – Denkräume – Aktionsräume. Hamburg, 27. April 2015.
- Ein Ort stört. Relikte des Hannoverschen Bahnhofs zwischen Erinnerung und Stadtplanung. Tagung Kriegslandschaften: Gewalt, Zerstörung und Erinnerung (19.–21. Jhd.). Hamburg, 27.–29. März 2015.
- Zwischen Imagination und Politik. Kulturelle Aushandlungspraxen am Beispiel des Gedenkortes Hannoverscher Bahnhof. Neuengammer Kolloquium: Täterschaften. Neue Fragestellungen in Forschung und Vermittlung an KZ-Gedenkstätten. Neuengamme, 27.–28. Februar 2013.
- Was hat Erinnerung mit der Gegenwart zu tun – brauchen wir neue Gedenkorte? Leitung des Workshops gemeinsam mit Carmen Ludwig, KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Tagung „Von Gestern für Morgen lernen: Zivilgesellschaftliches Engagement an Orten der Erinnerung“, Bundeszentrale für politische Bildung / Bündnis für Demokratie und Toleranz. Köln, 22.–23. Februar 2013