The Beautiful People! Experimentelle Archäologie zur Polychromie in der Antike
Die Übung widmet sich der Farbigkeit antiker Skulpturen, ihrer Bedeutung und Funktion in der Antike sowie der Herstellung und Präsentation farbiger Rekonstruktionen. Die ursprüngliche Farbigkeit antiker Skulpturen ist schon lange bekannt. Bereits im frühen 19. Jahrhundert wurden die Reste farbiger Pigmente, die noch mit bloßem Auge auf den Statuen (u.a.) zu erkennen waren, dokumentiert und auf deren Basis phantasievolle Rekonstruktionszeichnungen angefertigt. Die polychrome Gestaltung der Skulpturen und die damit verbundene antike Ästhetik stehen allerdings häufig im Widerspruch zu dem postmodernen Empfinden von Schönheit. Lange wurde der glänzend weiße Marmor als Inbegriff der klassischen Antike empfunden und hat das Schönheitsempfinden nachhaltig geprägt. Die mittlerweile neu gewonnenen Erkenntnisse über die Farbigkeit antiker Skulpturen können allerdings mehr als nur zur (Selbst-)Reflexion über den postmodernen Schönheitsbegriff anregen. Sie liefern Informationen, die bei der Interpretation von Skulpturen und ihrem jeweiligen Kontext von großer Bedeutung sind. Antike Skulpturen benutzen eine Kombination von aufgemalter Farbe und Applikationen aus anderen Materialien, um einen möglichst realen Eindruck auf den Betrachter auszuüben. Durch diese polychromen Hinzufügungen erhalten die Statuen einen zusätzlichen Informationsgehalt. Denn auch das gewählte Material, die Steinsorte und ihre Oberflächenstruktur sind aussagekräftig. Hinzu kommen unterschiedliche Bemalungstechniken und Farbschemata, die auf unterschiedliche Details und Bildelemente angewandt wurden. Hinweise auf vorhandene Konventionen bei der Auswahl von Darstellungen, Farben, Stilen, Farbmitteln oder Maltechniken können Informationen über die Funktion der Skulpturen preisgeben. Farbige Rekonstruktionen wiederum können bereits durch den Prozess ihrer Herstellung, ebenso wie durch ihr Erscheinungsbild das Wissen über verschiedenen Phänomene der Farbigkeit ausbauen, sie visualisieren und die Wahrnehmung antiker Skulptur verändern.
Die Übung setzt sich aus einem theoretischen und mehreren praxisorientierten Blockveranstaltungen zusammen. Zuerst werden die modernen Techniken um Farbigkeit an antiken Skulpturen erneut sichtbar zu machen besprochen, dann die antiken Methoden zur Farbgewinnung und Auftrag auf die entsprechenden Materialien, Kalkstein und Marmor, diskutiert. Das so erworbene Wissen wird in den Praxisveranstaltungen umgesetzt – der antike Farbauftrag wird experimentell nachgebildet und an verschiedenen Steinsorten erprobt. Im Anschluss werden an einigen Stücken der Gipsabguss-Sammlung von den Studierenden farbige Rekonstruktionen nach antiken Vorbildern und Methoden angefertigt. Die Ergebnisse aus dem Projektseminar werden im Frühjahr 2018 in den Räumlichkeiten der Gipsabguss-Sammlung in der ‚alten Backstube‘ in einer von den Studierenden konzipierten Ausstellung präsentiert.