It’s up to us! Selbstreflexionen zum medialen Umgang mit Kulturgütern in sozialen Netzwerken
1. Ausgangslage
Die Klassische Archäologie bietet als kleines Fach den Studierenden die vorteilhafte Möglichkeit des Wissenserwerbs in kleinen Lerngruppen in enger Kooperation mit den Lehrenden. Das Studium zeichnet sich durch einen hohen Theoretisierungsgrad bei gleichzeitig implementierten Praxisanteilen aus. Die zunehmende Technisierung des wissenschaftlichen Alltags durch Digitalisierung und die Verwendung sozialer Medien bietet aktuell eine große Chance für das partnerschaftliche forschende Lernen im Fach. Das Projekt „It’s up to us! Selbstreflexionen zum medialen Umgang mit Kulturgütern in sozialen Netzwerken“ will privates Film- und Fotomaterial von archäologischen Weltkulturerbestätten als eine bisher im Fach ungenutzte wissenschaftliche Ressource erschließen und ein interaktives, frei verfügbares Format mit Aktualitätsbezug unter Nutzung sozialer Netzwerke entwickeln.
Nach dem Prinzip des medialen Teilens sollen die Mitwirkenden Bildmaterial zu verabredeten Themenschwerpunkten bereit- oder herstellen, hierzu ebenfalls interessierte Dritte einladen und in dem entstehenden Netzwerk über die Bedeutung dieser Kulturgüter diskutieren. Ziel ist es, die Studierenden über die Vermittlung fachspezifischen Wissens und berufspraxisrelevanter Kompetenzen hinaus zur kritischen Reflexion über die eigene Teilhabe an und über den Umgang mit Kulturgütern in einer globalisierten Welt anzuregen und sie zu motivieren, aktiv an Meinungsbildungsprozessen der Gesellschaft mitzuwirken.
2. Thema und Konzept
Thema. Bereits 1972 hat die UNESCO das mittlerweile von 191 Staaten unterzeichnete „Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ – Welterbekonvention – verabschiedet. Das vorgeschlagene archäologisch-kulturwissenschaftliche Projekt konzentriert sich ausschließlich auf privates Film- und Fotomaterial von griechisch-römischen Ausgrabungsstätten des Weltkulturerbes, welche in der medialen Inszenierung gesellschaftlicher Ereignisse in den drei Themenfeldern Krisen, Klimawandel und Wirtschaftsfaktoren von Bedeutung sind.
Gegenstand. Gegenstand der Erforschung bilden die mediale Wirkungsmacht und die vielschichtigen semantischen Bezüge zwischen Vergangenheit und Gegenwart, die sich beispielsweise an Bild- und Filmaufnahmen von den zerstörten römischen Ruinen von Palmyra (Krisen), an den abblätternden Wandmalereien in Pompeji (Klimawandel) oder an einer in Baugerüste gehüllten Athener Akropolis (Wirtschaftsfaktoren) herausarbeiten lassen. Der eigene Umgang mit Kulturgütern in sozialen Netzwerken und interaktiven Formaten, in denen Informationen nachweislich oft ungefiltert und gleichrangig nebeneinander stehen, soll problematisiert werden.
Fragen. Stammen die in den Medien und sozialen Netzwerken verbreiteten Aufnahmen von Kulturgütern überhaupt von den besagten Orten? Wer hat sie angefertigt? Wer war schon selber dort oder kennt jemanden, der diesen Ausgrabungsplatz besucht hat? Was zeigen die Bilder genau? Welche Funktion und Bedeutung hatten die gezeigten Kulturgüter in der Antike? Wie prägt ihre sichtbare Existenz unsere Gegenwart? Welche Ausschnitte werden mit den Bildern gezeigt, was wird ausgelassen, wie werden die Bilder bearbeitet? Wie, warum und zu wessen Nutzen werden die gezeigten Kulturgüter emotional aufgeladen?
Idee. Die Projektidee möchte sich einerseits die positiven Aspekte der Medien – einfache und großflächige Verbreitung von Informationen und eine Kommunikation innerhalb flacher Hierarchien – zunutze machen, andererseits die Kommunikationsprozesse und die Contents kanalisieren und kritisch hinterfragen. Wichtige Bausteine liefern der persönliche Wissenstransfer (mentoring) und der Wille der Mitwirkenden, Wissenschaft für die Gesellschaft zu öffnen und nutzbar zu machen (citizen science).
Methoden. Den Ausgangspunkt bilden bildwissenschaftliche Ansätze, die im Projektverlauf z. B. durch medienwissenschaftliche- und kulturanthropologische Zugänge erweitert werden sollen.
3. Projektpartner und Zielgruppe
Team. Durch die Selbstverpflichtung auf das Prinzip des partnerschaftlichen forschenden Lernens und des Wissenstransfers über persönliche Beziehungen basiert das Projekt auf einer engen Zusammenarbeit zwischen Studierenden und Mitarbeiter/innen des Instituts.
Die Koordination des Projektes mit seiner begleitenden Öffentlichkeitsarbeit und die fachliche Unterstützung hat Jacobus Bracker MA übernommen. Tutor der Netzwerkgruppe ist Constantin Raupach.
Zielgruppe. Das Vorhaben richtet sich v. a. an Studierende der Klassischen Archäologie im B.A.-Studium der Aufbau- und Vertiefungsphase und im M.A.-Studium. Studierende des Fachbereichs Kulturgeschichte und Kulturkunde und der GW Fakultät sowie Interessierte anderer Fächer sind ausdrücklich willkommen.
4. Projektphasen und Veranstaltungsformate
Phasen. Die Vorbereitung und Bereitstellung der technischen Ressourcen (Anlage Datenbank und Website) erfolgen im Verlauf des WS 2016/17. Die zweisemestrige aktive Projektphase dauert vom SS 2017 bis zum WS 2017/18. Für die Implementierung der konzipierten Open-Source-Datenbank mit den Bild- und Filminhalten und die mögliche Einspeisung von Contents in ein E-Learning-Modul der ARIADNE-Plattform ist eine Nachbereitungs- und Verstetigungsphase von weiteren zwei Semestern vorgesehen.
Veranstaltungsformate. Das Vorhaben setzt an verschiedenen Schnittstellen des Projekt-orientierten forschenden Lernens an und verknüpft unterschiedliche Formate, in denen die Studierenden berufsrelevante Erfahrungen sammeln können und aktiv am Wissenschaftsbetrieb teilnehmen. Die wissenschaftliche Standortbestimmung des Projektes erfolgt durch zwei themenspezifische Seminare („Archäologische Kulturgüter und ihr Schutz als gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ und „Bild- und medientheoretischen Ansätze in der Archäologie“). Zu einer begleitenden Ringvorlesung (z.B. „Medialer Umgang mit archäologischen Kulturgütern“) tragen Hamburger Kolleg/innen und auswärtige Gäste bei. Eine Zusammenstellung und Erschließung des Bild- und Filmmaterials wird im Rahmen einer Arbeitsgruppe zum Thema „Netzwerkbildung und Sammeln“ sowie in Übungen zur Herstellung und Bearbeitung von Contents und zur Vorbereitung einer Ausstellung durchgeführt. Eine Studierendentagung beschäftigt sich mit der kritischen Reflexion und Bewertung der persönlichen Teilhabe am Umgang mit Kulturgütern in sozialen Netzwerken und Medien und bereitet in Workshops die Themen für die interaktiven Plattformen der Website (Facebook, Twitter, Blog) vor. Die Website dient als Schnittstelle zur Öffentlichkeit und zur Dokumentation des Projektverlaufs. Sie wird durch ein studentisches Redaktionsteam gepflegt und redigiert. Mit der Ausstellung und einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung soll das Projekt werbewirksam in die außeruniversitäre Öffentlichkeit Hamburgs hinausgetragen werden und auf die Open-Source-Datenbank aufmerksam machen. Die Vorträge der Ringvorlesung und der Studierendentagung sollen in den institutseigenen Organen publiziert werden.
Die ECTS-Punkte für die Tutorien und Lehrveranstaltungen sind Curriculum-relevant. Sämtliche Veranstaltungsformate werden durch die Studierenden evaluiert.
5. Nachhaltigkeit
Formate wie die Open-Source-Datenbank und die Website werden fest an das Institut angebunden. Mittelfristig erfolgt eine Angliederung ausgewählter Inhalte an das E-Learning Modul ARIADNE. Eine Weiterentwicklung und Nachnutzung der Inhalte für weitere Formate und durch Dritte ist jederzeit möglich.
Zur Website des Projekts und dem Projekttagebuch bei der Claussen-Simon-Stiftung.