Institutskolloquium SoSe 2017
Anonym und streng vertraulich?! Praxisformen im Umgang mit Identität und Identifizierbarkeit in Dateninfrastrukturen
Übersicht (PDF)
Wer kennt ihn nicht den Satz: „Selbstverständlich werden Ihre Daten absolut anonym und streng vertraulich behandelt!“ Ob nun beim Häkchen setzen unter die AGB’s der heruntergeladenen App, beim Teilnehmen an einer wissenschaftlichen Studie, während der Blutuntersuchung oder beim bargeldlosen Bezahlen? Die Digitalisierung und Vernetzungen innerhalb unseres Alltags bringt nicht nur eine Zunahme von Anonymität hervor, sondern auch die Fähigkeit diese einzuschränken oder gar unmöglich zu machen. Bei jeder digitalen Kommunikation fallen Daten an, die getrackt und gespeichert werden und das anonyme Abtauchen im Netz wird in einer Gesellschaft in der zunehmend der „Imperativ der Transparenz“ ausgerufen wird, nur mittels spezifischen Wissens über die jeweiligen dahinterliegenden Infrastrukturen möglich (Koch 2016).
Dabei geht es nicht primär darum eine Form der Unerreichbarkeit aufgrund von Namenlosigkeit (vgl. Nissenbaum 1999), sondern insbesondere die Verbindungen von unterschiedlichen Eigenschaften zueinander und die Rückkopplung an eine Person zu unterbinden (Marx 1999; Wallace 1999). Das Ziel ist ein „Nicht-Wiedererkennen“, ein „untrackable“-sein (Matthews 2010), also das Erkennen und Nicht-Erkennen verschiedener sozialer Identitäten. Gleichzeitig ist Anonymität ein zweischneidiges Schwert – auf der einen Seite bietet sie einen Schutzraum der grundlegende Werte der Aufklärung wie Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit ermöglicht, Diskriminierung unterbindet oder einem Solidarsystem wie der Blutspende oder den kollektiven Krankenkassen den Weg ebnet. Was auf der einen Seite einen Schutzraum bietet, öffnet zugleich Hintertür für hate speech, An- und Übergriffe und wirft Fragen zur Verantwortung, zu rechtlichen, ethischen und sozialen Vorstellungen sowie etablierten Machtverhältnissen auf. Anonymität ist dadurch eines der Schlüsselthemen der heutigen Gesellschaft.
Innerhalb des Kolloquiums soll aufgeschlüsselt werden: welche gesellschaftlichen Vielschichtigkeiten, Potenziale und Praxisformen sich dadurch im Umgang mit Identität und Identifizierbarkeit ergeben. Der Fokus liegt darauf interdisziplinäre Experten aus Wissenschaft und Praxis zu Wort kommen zu lassen und uns ihre Einblicke in das Desiderat Anonymität zu geben.