Geschichte des Seminars
Die äußeren Bedingungen, unter denen in den zwanziger Jahren die „Hamburger Schule“ entstand, sind mit den gewohnten heutigen Voraussetzungen kaum zu vergleichen. Damals bestand das Seminar aus drei Professoren und fünfzehn Studierenden, die gemeinsam in den Kellerräumen der Kunsthalle arbeiteten. Erster Lehrstuhlinhaber am Kunstgeschichtlichen Seminar wurde 1926 Erwin Panofsky, der bereits seit fünf Jahren am Aufbau des Seminars mitgewirkt hatte. Angeregt durch die kulturwissenschaftlichen Forschungen Aby Warburgs, der sich mit den sozialen Bedingungen und Notwendigkeiten künstlerischen Ausdrucks beschäftigte, legte Panofsky das theoretische Fundament der ikonologischen Methode. Neben Warburg und Panofsky lehrten Fritz Saxl, Edgar Wind und Karoly von Tolnay am Seminar. Zum Kreis dieser Wissenschaftler zählte auch der am Philosophischen Seminar lehrende Ernst Cassirer, der wie Panofsky die Kunst als 'symbolische Form' betrachtete, die nur im Kontext ihrer geistesgeschichtlichen und historisch-politischen Entstehungszusammenhänge verstanden werden kann. Nach Warburgs Tod 1929 und der Emigration der meisten Angehörigen des Seminars aufgrund der Rassengesetze von 1933 sank das Hamburger Seminar zu völliger Bedeutungslosigkeit herab. Die Ikonologie war aus Deutschland vertrieben, der Lehrstuhl wurde der Kunstgeschichte entzogen. Erst 1941 wurde er für kurze Zeit mit Hubert Schrade besetzt, der die "Lebenseinheit von Politik und Kultur" im Dienste des NS propagierte. 1942 wurde Kurt Wilhelm-Kästner berufen, kriegsbedingt lag die Aufrechterhaltung des Lehrbetriebs aber in Händen der Seminarassistentin Helene Münscher.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs fand nicht gleich ein Anknüpfen an die alte Hamburger Schule statt: So vertrat Wolfgang Schöne ab 1947 eine phänomenologisch orientierte und stilgeschichtlich argumentierende Kunstgeschichte. Er beschäftigte sich vor allem mit dem Einsatz des Lichtes in der Malerei des Mittelalters und der Neuzeit; eine Kontextualisierung durch Heranziehen von Quellen fand hier nicht statt, es ist werkimmanentes Arbeiten. Erst Ende der Siebziger Jahre entstand mit Klaus Herding, Horst Bredekamp und Martin Warnke eine sozialgeschichtlich argumentierende 'neue Hamburger Schule'; sie mündete schließlich in die politische Ikonographie, die bis heute am Seminar vertreten wird. Seither hat sich – durch die Berufungen von Hermann Hipp, Bruno Reudenbach, Monika Wagner und Wolfgang Kemp in den achtziger und neunziger Jahren und in jüngerer Zeit von Uwe Fleckner, Iris Wenderholm, Margit Kern, Frank Fehrenbach und Petra Lange-Berndt – das Profil des Seminars weiter ausdifferenziert. So hat eine Vielfalt an Methoden und Themenbereichen Eingang in Lehre und Forschungsprojekte des Seminars gefunden. Heute sind neben der politischen Ikonographie Schwerpunkte u. a. Forschungen zu Materialität und Photographie, Wissenschaftsgeschichte, Genderforschung, Mittelalterforschung, Erforschung von Naturbildern, Kunstgeschichte der Frühen Neuzeit in Italien, Kunstgeschichte Frankreichs, Spaniens und Lateinamerikas sowie aktuelle Themenfelder zeitgenössischer Kunst und Theorie.
Von 1966 an nutzte das Seminar Räume in der Moorweidenstraße 18. Sie waren von Anfang an zu klein und wurden mit den steigenden Studierendenzahlen seit dem Ende der sechziger Jahre immer beengter; immer wieder in Aussicht genommene Umsiedlungen an andere Standorte, wie etwa das Gebäude der Botanik an der Jungiusstraße oder die ehemalige Nordfleischzentrale, wurden nicht realisiert. Eine Erweiterung des alten Hauptgebäudes durch zwei Flügelbauten wurde von Mitgliedern des Seminars schon Anfang der 90er vorgeschlagen. Ihre Realisierung und damit die Beendigung der Raumnot wurde durch eine private Schenkung an die Universität Hamburg möglich.1998 bezog das Seminar den neuen Flügelbau West neben dem alten Universitätsgebäude.