Survey auf dem Humeitepe von Milet (abgeschlossen)
In den Jahren 2014 und 2015 wurde auf dem Humeitepe ein intensiver Survey durchgeführt. Der langestreckte Hügel bildete die nordöstliche Spitze der milesischen Halbinsel (Abb. 1). Er ragt weit in die Mäanderebene hinaus, an deren Stelle sich noch in der römischen Kaiserzeit das Ende einer weiten Meeresbucht erstreckte. Innerhalb des milesischen Stadtplanes bildete der Humeitepe eine ambivalente, durch zentrale ebenso wie durch periphere Bereiche gekennzeichnete Zone. Im Süden schloss er unmittelbar an das hellenistisch-kaiserzeitliche Stadtzentrum an. Westlich lag der Löwenhafen, während die flache Ostseite die Bucht eines weiteren Hafenbeckens einfasste. Das nördliche Ende des Hügels ist hingegen durch ein steil abfallendes, von der Ebene beziehungsweise dem Meer unzugängliches Gelände gekennzeichnet. Der Humeitepe erscheint daher gut geeignet, die Komplexität des urbanen Raumes von Milet in einer langfristigen Perspektive zu untersuchen.
Als erster Schritt eines Vorhabens zur intensiveren Erforschung des Humeitepe wurde ein intensiver Survey durchgeführt. Weil der südliche Teil des Hügels stark durch ältere Suchschnitte gestört ist, wurde die Prospektion auf einen ca. zehn Hektar umfassenden Bereich im Nordabschnitt des Hügels beschränkt. Der Bereich des Hafens im Osten wurde dabei eingeschlossen. Der Survey fand in den Jahren 2014 und 2015 statt; die Fundbearbeitung wurde parallel zu den Feldarbeiten durchgeführt und 2019 abgeschlossen. In den Jahren 2015 und 2016 wurden zusätzlich Vermessungsarbeiten unternommen, um einen neuen Plan sowie ein digitales Geländemodell erstellen zu können. In diesem Zusammenhang wurde auch das bestehende Festpunktenetz überprüft, korrigiert und ergänzt.
Zur Durchführung des Surveys wurden in dem gesamten nördlichen Bereich des Humeitepe 20 x 20 m große Quadranten abgesteckt, die ihrerseits in 5 m breite Transecte unterteilt und systematisch begangen wurden (Abb. 2). Die materiellen Hinterlassenschaften, die innerhalb der Reihen aufgesammelt wurden, wurden nach einem festen Kategoriensystem direkt im Feld quantifiziert. Diagnostische Fragmente wurden zur Fundbearbeitung in die Depots gebracht und dort mit Zeichnungen und Fotografien dokumentiert sowie in einer Datenbank erfasst. Ihre zeitliche wie funktionale Einordnung ermöglicht es, die räumliche Verteilung unterschiedlicher Fundgattungen auf dem Humeitepe in den verschiedenen chronologischen Phasen darzustellen.
Das Spektrum der knapp 30.000 gesammelten Funde umfasst vornehmlich Gefäßkeramik (Abb. 3). Daneben haben wir Zeugnisse weiterer Gattungen wie Terrakotten, Glas-, Metall- und Steinobjekte, Fragmente von Wandputz, Eisenschlacken sowie Mollusken gefunden. Die Bearbeitung der Funde zielte vor dem Hintergrund der Fragestellung des Projektes insbesondere auf die zeitliche sowie produktionsräumliche Klassifikation ab. Die Datierung wird anhand von Vergleichen zu stratifizierten Funden aus milesischen Kontexten sowie aus anderen Orten (insbesondere Athen, Ephesos, Priene, Didyma) vorgenommen. Eine allgemeine Herkunftsbestimmung erfolgt anhand eines neu aufgebauten Fabrikat-Katalogs mit Referenzstücken. Auf Basis dieser Fundauswertung lässt sich auf dem Humeitepe von archaischer bis in byzantinische Zeit Siedlungstätigkeit nachweisen, wenngleich in deutlich unterschiedlicher Intensität. Die Aktivitäten scheinen sich insbesondere in dem Zeitraum vom 2. Jh. v. Chr. bis zum 2. Jh. n. Chr. zu konzentrieren. Anhand der Fundkeramik, die Transportamphoren, Tafel-, Öl-, Haushalts-, Vorrats- und Kochgeschirr umfasst, zeigte sich, dass die Bewohner in der frühesten ebenso wie in der spätesten Besiedlungsphase vor allem regionale Produkte aus dem Mäandertal nutzten. In der klassischen Zeit überwiegen attische Gefäße. Für den Hellenismus und die Kaiserzeit lässt sich nicht nur ein erheblich breiteres Spektrum an Importen aus dem gesamten Mittelmeerraum nachweisen, sondern auch eine deutlich ausgewogenere Palette an Gefäßformen, die sich als Geschirrensembles des alltäglichen Haushalts interpretieren lassen. Die Auswertung der räumlichen Verteilung der Funde in Kombination mit den einzelnen, in der Vergangenheit durchgeführten Grabungen und geophysikalischen Prospektionen, lassen zumindest drei funktional unterschiedliche Areale auf dem Humeitepe deutlich hervortreten. Der nördlichste Bereich wird durch ein unter W. Müller-Wiener von 1978 bis 1980 ausgegrabenes Demeter-Heiligtum eingenommen. Hier fand sich vor allem Symposions-Keramik klassischer Zeit. Die im Gelände gut erkennbare Bucht an der Ostseite des Hügels wurde als Hafen genutzt (Grabungen H. Bumke, 2011). Nach Aussage der im Survey gesammelten Transportamphoren, die sich insbesondere entlang dieser Bucht massierten, scheint hier ab dem Hellenismus ein großer Handelshafen entstanden zu sein. In dem zentralen und dem südlichen Abschnitt des Humeitepe dürften sich hingegen luxuriös ausgestattete Wohnhäuser konzentriert haben. Darauf weisen eine große Anzahl von Mosaiksteinen und farbigem Wandputz, Fragmente größerer Marmorbecken sowie die obengenannten Geschirrensembles hin (Abb. 4).
Nachdem durch den Survey die übergreifende Entwicklung und Nutzung des Humeitepe beschrieben werden kann, haben wir ab 2017 gezielte Grabungsschnitte angelegt, um konkretere Einblicke in die urbane Struktur und ihre zeitliche Entwicklung zu erhalten. Diese Grabungen werden in den kommenden Jahren fortgeführt.
Dauer: 2014-2019.
Projektleitung: Prof. Dr. Christof Berns.
Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen: Dr. Sabine Huy, Dr. Barbora Weissova.
Kooperationspartner: Dipl. Ing. Jens Rothe (Beuth-Hochschule für Technik Berlin); Dr. Harald Stümpel und Ercan Erkul (Institut für Angewandte Geophysik der Christian Albrechts-Universität Kiel).
Finanzierung: Mercur Research Center Ruhr (2014-2015), Programm »Forschendes Lernen« der Ruhr Universität Bochum (2016-2018), UHH (2019).
- Dauer: 2014–2019
- Projektleitung: Univ.-Prof. Dr. Christof Berns
- Drittmittelgeber: Mercur Research Center Ruhr (2014-2015), Programm »Forschendes Lernen« der Ruhr Universi-tät Bochum (2016-2018), UHH (2019)